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Eröffnung: 1. Oktober 1893 nur Güterverkehr. Ab 1. Mai 1897 auch für den Personenverkehr Nächster Bahnhof Richtung Kremmen: Hennigsdorf (von 1954-1961 Stolpe Süd)
Schließung: 9. Januar 1984 bis 14. Dezember 1998 Nächster Bahnhof Richtung Schönholz: Schulzendorf
  Telegraphische Abkürzung: Hls für Heiligensee
Lage im Streckennetz: Kilometer 17,01 der Strecke Schönholz—Kremmen.
 

 

 

 

 

 

Zum Titelbild: Wunderschöne und seltene Aufnahme vor der Hochlegung des Bahnhofs Heiligensee ca. 1920. Ein Dampfzug hat Ausfahrt nach Velten. Foto Archiv Postmaxe Polzin

 

  

Die Zeit der Preußischen Staatsbahn 1893 bis 1920

Der Bahnhof Heiligensee war ursprünglich nur  für den Güterverkehr  mit der anliegenden Chemischen Fabrik projektiert, denn auf Grund einer Petition, die die  Gemeinde Heiligensee  an den Minister für öffentliche Arbeiten Maybach im Juli 1890 richtete, sah die Gemeinde den vorgesehenen Standort als ungeeignet , weil von der nahen Chemischen Fabrik eine Seuchengefahr ausgehen würde - und - besonders bemerkenswert: „…der einzige Nutznießer wäre der Fabrikbesitzer. Auf diese Weise würde die Zahl der Sozialdemokraten und Fortschrittler  nur zwecklos vermehrt. Die Hauptverkehrsmittel sollen dem ganzen Volke zu Gute kommen…“[1] Solche Argumentation schien damals noch zu fruchten, denn die Königliche Eisenbahndirektion (KED) erhielt vom Minister Maybach die Order, einen neuen Bahnhof am Schulzendorfer Weg, dem heutigen Bahnhof Schulzendorf zu projektieren.
 

Die Chemische Fabrik geht bis in das Jahr  1873 zurück. Die „Berliner chemische Producten- und Dampfknochenmehl-Fabrik AG“ erwarb an der heutigen Hennigsdorfer Str. 125 bis 165 ein Gelände zum Betreiben einer Knochenmühle und zur Herstellung von Düngepulver. 1881 erwarb der Berliner Kaufmann Heinrich Neudeck die Fabrik und erweiterte die Anlagen, um  Schwefelsäure herzustellen.  Die Behörden bemühten sich, die Umweltverschmutzung durch diverse Auflagen einzudämmen, was wohl nicht ganz gelang. Die Anwohner in Heiligensee und Nieder Neuendorf klagten über den erbärmlichen Gestank, gelblichen Schleim in den Netzen der Fischer und dass die Nadelbäume ihre Nadeln verloren hätten. Insofern kann man die o.a. Petition der Gemeinde Heiligensee gut nachvollziehen. Die Fabrik wechselte zwischen 1905 und 1914 mehrmals den Eigentümer. Letzte Eigentümerin war die „Aktiengesellschaft  Union, Fabrik chemischer Produkte“ zu Stettin. Sie musste die Fabrik 1925 schließen, da für die Knochenverwertung kein Bedarf mehr bestand.

Lageplan von 1897 mit eingezeichneten Erweiterungen von 1905. Klick aufs Bild zum Vergrößern. Archiv Kremmener Bahn.netEine weitere Petition der Gemeinde Heiligensee vom August 1890, die Strecke weiter an den Dorfanger zu verschwenken, wurde aus Kostengründen von der KED abgelehnt.  Weil der heutige Bahnhof Schulzendorf als Personenbahnhof für Heiligensee konzipiert wurde, erhielt der Bahnhof Heiligensee als einziger Bahnhof der Kremmener Bahn kein Empfangsgebäude, sondern ein Beamtenwohnhaus und eine Wartehalle. Diese Gebäude existieren noch heute. Das Beamtenwohnhaus wird noch immer bewohnt, die Wartehalle ist heute die Kneipe „Nante“.  Als am 01.05.1897 die Güterverladestelle Heiligensee dem Personenverkehr übergeben wurde, entfiel der Doppelname für den Bahnhof Schulzendorf. Bezeichnend ist, dass man vier Jahre später keine Bedenken mehr wegen Seuchen und „bösen“ Sozialdemokraten hatte. Nachdem der Verkehr auf der Kremmener Bahn immer mehr zunahm, plante die KED ab 1903 die Umstellung der Strecke auf Hauptbahnbetrieb. Der Personenverkehr ist in Heiligensee von 1902 bis 1905 um 38% gestiegen. [2]  Der Bahnhof Heiligensee hatte als ein Bahnhof einer Nebenbahn keine Einfahrsignale zur Sicherung der Zugfahrten. Für den Bahnhof Heiligensee waren für den Umbau folgende Maßnahmen vorgesehen: „3. Auf Bahnhof Heiligensee werden Personenzüge unter sich und mit Güterzügen kreuzen. Zu dem Zweck ist gemäß Anlage C die Verlängerung der Gleises II auf 550 m und des Hauptbahnsteigs auf 200 m sowie die Neuanlage eines Zwischenbahnsteigs geplant. Zur Bedienung der demnächst 540 m vom Stationsgebäude entfernten Weiche 1 und der Signale am südlichen Bahnhofsende wird die Errichtung eines neuen Weichenstellerpostens in Km 16.470 erforderlich…“ [3]. Das vorgenannte soll als Beispiel dienen, welcher Aufwand erforderlich war, um den Forderungen des Hauptbahnbetriebs zu genügen. Am 01. Oktober 1910 wurde der Hauptbahnbetrieb von Schönholz nach Velten eröffnet.

 Zeichnung für das noch heute existierende Wohnhaus für Unterbeamte ca 1892. Bemerkenswert die Anmerkung, wie Material gespart werden kann, damit die Baukosten von 9000 Mark nicht überschritten werden. Sammlung Postmaxe PolzinZeichnung für das noch heute existierende Wohnhaus für Unterbeamte ca 1892. Bemerkenswert die Anmerkung, wie Material gespart werden kann, damit die Baukosten von 9000 Mark nicht überschritten werden. Sammlung Postmaxe Polzin

 

Die ehemalige Wartehalle war schon um 1930 eine Bahnhofswirtschaft. Dahinter das Wohnhaus für Unterbeamte. Sammlung Postmaxe PolzinDie ehemalige Wartehalle war schon um 1930 eine Bahnhofswirtschaft. Dahinter das Wohnhaus für Unterbeamte. Sammlung Postmaxe Polzin

 

 

 

Der Bahnhof wird neu errichtet und wird S-Bahnhof - Die Zeit von 1920 bis 1945

Am 01.Oktober 1920 wurde Heiligensee Teil des neuen Groß-Berlins. Ehemals zum Kreis Osthavelland gehörig, ist Heiligensee seitdem Teil des 20. Berliner Bezirks Reinickendorf.  Die Kremmener Bahn gehörte nun bis km 17,46 zum Berliner Gebiet. Die nunmehrige Deutsche Reichsbahn vollendete nun die längst geplante Hochlegung der Strecke Tegel bis Velten. In mehreren Bauetappen wurde der Bahnhof Heilgensee auf Dammlage gebracht und in seinem heutigen Gp Hls 1938 500pxZustand umgebaut. Die Wartehalle wurde zu einer Bahnhofsgaststätte umgebaut. Am 03. November 1925 wurde der neue Güterbahnhof Heiligensee in Betrieb genommen.  Die Union Aktiengesellschaft muss ein bedeutender Kunde gewesen sein, denn die Anschlußbahn wurde dreigleisig ausgeführt, wie man im nebenstehenden Gleisplan von 1938 sehen kann.  Da wie oben beschrieben die Union Aktiengesellschaft 1925 die Fabrik schloß, dürften die Anschlußbahngleise nicht mehr in dem geplanten Umfang genutzt worden sein. Inzwischen hatte das Reichsverkehrsministerium beschlossen, die lang diskutierte  Elektrifizierung der drei Nordstrecken zu verwirklichen. Mit der Hochlegung kam die Elektrifizierung, sodass am 16. März 1927 der elektrische Betrieb bis Velten aufgenommen werden konnte. Heiligensee wurde zum S-Bahnhof.

Das Empfangsgebäude Heiligensee - geplant, aber nie gebaut

 

Das Beamtenwohnhaus des Bahnhofs Heiligensee Ende der 1920er Jahre. Das Gebäude im Hintergrund links ist der alte Güterschuppen. Archiv Postmaxe PolzinMit der Umgestaltung des Bahnhofs Heiligensee während der Hochlegung wurde der Reichsbahnarchitekt Hugo Röttcher (1878 bis 1942) beauftragt. Er prägte das Gesicht der beiden neuen Bahnhöfe Schulzendorf und Heiligensee. Für den Bahnhof Heiligensee war ein eigenes Empfangsgebäude geplant. Wie oben aufgeführt, hatte der Bahnhof 1893 kein eigenes Empfangsgebäude erhalten. Das Empfangsgebäude ist im Landhausstil gehalten. Der von der Straßenseite rechts zu sehende Anbau sollte der Warteraum werden. Das Untergeschoß sollte aus der Durchgangshalle sowie Fahrkartenausgabe und einen Gepäckschalter bestehen. Das Obergeschoß sah zwei Wohnungen für die Bediensteten vor. Der kleine Anbau von der Straßenseite links gesehen sollte im Unter- sowie im Obergeschoß die Aborte aufnehmen. Wegen der finanziellen Engpässe der Deutschen Reichsbahn während der Hochlegung wurde der Bau nicht vollendet. Die im ähnlichen Stil gehaltenen Beamtenwohnhäuser am Bahnhof Heiligensee (Ruppiner Chaussee 379 und 383)  wurden dagegen realisiert. Übrigens, der Wasserturm des ehemaligen Rangierbahnhofs Tempelhof Rbf von 1928, der heute teilweise zum Naturpark Südgelände ausgebaut ist, stammt ebenfalls von Hugo Röttcher.

   Das nie gebaute Empfangsgebäude des Bahnhofs Heiligensee. Links die Anischt von der Bahnseite, rechts die Ansicht von der Strassenseite. Die Zeichnung ist vom April 1924 und von Hugo Röttcher unterschrieben. Zeichnung LAB A Rep 080 (Karten) Nr 107 Das nie gebaute Empfangsgebäude des Bahnhofs Heiligensee. Links die Anischt von der Bahnseite, rechts die Ansicht von der Strassenseite. Die Zeichnung ist vom April 1924 und von Hugo Röttcher unterschrieben. Zeichnung LAB A Rep 080 (Karten) Nr 107

 

Seltenene Aufnahme aus dem Stellwerk Hnt von 1937: Links das Wohnhaus für Unterbeamte, daneben die ehemalige Wartehalle, rechts von ihr der ehemalige Güterschuppen des auf dem Niveau liegenden ehemaligen Bahnhof Heiligensee. Neben dem Güterschuppen die Beamtenwohnhäuser von 1924. Sammlung Lars MolzbergerSeltene Aufnahme aus dem Stellwerk Hnt von 1937: Links das Wohnhaus für Unterbeamte, daneben die ehemalige Wartehalle, rechts von ihr der ehemalige Güterschuppen des auf dem Niveau liegenden ehemaligen Bahnhof Heiligensee. Neben dem Güterschuppen die Beamtenwohnhäuser von 1924. Sammlung Lars Molzberger

Die junge Frau freut sich bestimmt, auf Reise zu gehen. Im Hintergrund Rungenwagen mit Speichenrädern. 1938. Sammlung Archiv Postmaxe PolzinDie junge Frau freut sich bestimmt, auf Reise zu gehen. Im Hintergrund Rungenwagen mit Speichenrädern. Es könnte sich um die Bauform R 02 handeln. 1938. Sammlung Archiv Postmaxe Polzin 

 

Spaltung und Schließung 1945 bis 1984

Heiligensee war bis 22. November 1945 nicht per Zug erreichbar. Grund waren die zerstörten Brücken über die Industriebahn Tegel-Friedrichsfelde und dem Hermsdorfer Damm. Wer nach Heiligensee wollte, musste ab Tegel die Straßenbahn Linie 128 benutzen. Hinzu kam noch das von der sowjetischen Besatzungsmacht demontierte zweite Gleis. Deshalb konnte der Zugverkehr nur im Halbstundentakt durchgeführt werden.   Mit dem Mauerbau am 13. August 1961 wurde der S-Bahnhof Heiligensee zur Endstation in Berlin-West. Zwar richtete die DR ab Oktober 1961 einen 20 Minutentakt von und nach Heiligensee ein, aber diese Angebotsverbesserung kam zu spät: Der S-Bahnboykott zeigte seine Wirkung.

Diese Luftaufnahme war zu West-Berliner Zeiten illegal. Herr Roggensack hat seine Kamerra an einem Drachen befestigt und diese schöne Aufnahme mit dem Bahnhof Heiligesee gemacht. 1980. Foto: Archiv RoggensackDiese Luftaufnahme war zu West-Berliner Zeiten illegal. Herr Roggensack hat seine Kamerra an einem Drachen befestigt und diese schöne Aufnahme mit dem Bahnhof Heiligesee gemacht. 1980. Foto: Archiv Roggensack

Der Güterbahnhof Heiligensee wurde nach dem Mauerbau nur noch gelegentlich genutzt, um einen Kohlewagen zu überführen oder den Leerwagen abzuholen. Dafür musste ein Umlauf der S-Bahn ab Berlin-Tegel ausfallen.  Spätestens nachdem Anfang der 70er Jahre der Güterverkehr eingestellt wurde,  siedelten sich Pferdekoppeln auf dem Gelände an. Eine Ironie am Rande: Der Güterbahnhof Heiligensee blieb noch bis 1977 Tarifbahnhof für den Güterverkehr, obwohl er gar nicht mehr existierte. Die Deutsche Reichsbahn brauchte rund 6 Jahre, bis der Güterbahnhof Heiligensee aus den Tarifverzeichnissen verschwand. Irrtum oder Nachlässigkeit?

1983 begannen zwischen der Deutschen Reichsbahn und dem Senat von Westberlin Verhandlungen zur Übernahme des für die Deutsche Reichsbahn defizitären S-Bahn Betriebs. Beide Seiten wurden sich einig. Am 09. Januar 1984 übernahm die vom Senat zu bestimmende Stelle - nämlich die BVG - die Betriebsrechte der Berliner S-Bahn. Im Betriebskonzept der BVG war die Aufrechterhaltung des S-Bahn Betriebs nach Heiligensee nicht vorgesehen. Am 08. Januar 1984 war auf der Kremmener Bahn zwischen Schönholz und Heiligensee der letzte Betriebstag für die S-Bahn.

Zwischen Verfall und Wiederinbetriebnahme: Die Zeit von 1984 bis heute

Mit der Übernahme der S-Bahnbetriebsführung durch die BVG wurde am 09. Januar 1984 der öffentliche S-Bahnverkehr in Heiligensee eingestellt. Der Bahnhof wurde dem Verfall und dem Vandalismus preisgegeben. Die Anwohner mussten auf die BVG Buslinien 13 und 14 (heute 133 und 124) ausweichen. 1995 begannen die Bauarbeiten für die Wiedereröffnung der Strecke Tegel bis Hennigsdorf. Probleme bei der Finanzierung und Beschaffung von Flächen führten dazu, dass erst im Juli 1997 mit den Bauarbeiten begonnen werden konnte. Der Bahnhof Heiligensee steht nicht unter Denkmalschutz. Trotzdem wurde er in ähnlicher Weise wie Schulzendorf saniert. Der Splitterschutzbunker und Reste des alten Dienstraums wurden entfernt. Für die örtliche Aufsicht Heiligensee wurde ein neues Dienstgebäude errichtet. Am Bahnsteigende entstand ein weiteres Gebäude für die Fernmeldetechnik.  Am 15. Dezember 1998 wurde der Bahnhof Heiligensee erneut feierlich eröffnet. Wegen der Eingleisigkeit der Strecke wurde Heiligensee kein Haltepunkt, sondern ein Bahnhof. Hier sind Zugkreuzungen bei Verspätungen möglich. Die örtliche Aufsicht Heiligensee fertigte die Züge im Bahnhof Heiligensee und in Schulzendorf mittels Videotechnik ab. Seit dem 30. November 2006 befindet sich keine örtliche Aufsicht mehr in Heiligensee. Die Abfertigung der Züge erfolgt durch den Triebfahrzeugfüher (ZAT). Für den weiteren Ausbau des Bahnhofs ist die Herstellung eines westlichen Zuganges zur ehemaligen Ladestraße vorgesehen. Das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Heiligensee wurde erst Ende 2002 als Eisenbahnbetriebsfläche aufgegeben.[4] Das Gelände ist für den heutigen Bahnbetrieb nicht mehr erforderlich. Dadurch wurde der Weg frei, dass auf dem rund 49000 m2 großen Gelände eine Wohnsiedlung entstehen konnte. Für die Gestaltung der Häuser am Bahnsteig hat der Architekt bestimmt einen Preis für außergewöhnliches Design bekommen.

Nachtrag Februar 2014: Das 1924 von Hugo Röttcher erbaute Beamtenwohnhaus Ruppiner Chaussee 383 wurde für eine Erweiterung des Kundenparkplatzes von Lidl im Februar 2014 abgerissen.

Ein fotografisches Mosaik des Bahnhofs Heiligensee

 

 

 

 Quellen und weitere Links

[1,2,3] Peter Bley, Die Kremmener Bahn, Verlag  B. Neddermeyer 2004 Seiten 13,44 und 46

[4] Berliner Verkehrsblätter 07/2003 Kurzmeldungen Seite 138
 
Der Bahnhof Heiligensee auf www.stadtschnellbahn-berlin.de/